Bereits 2021 war eine umfassende Pflegereform des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn geplant. Diese umfassende Reformierung der Gesundheitsleistungen blieb jedoch aus. Seit dem 01.01.2022 greifen nun jedoch verschiedene angepasste Leistungen. Diese Leistungen sind eine abgespeckte Variante der angekündigten Pflegereform. Die neue Pflegereform 2022 soll pflegende Angehörige und Pflegebedürftige in der häuslichen und ambulanten Pflege entlasten.
Die neue Pflegereform 2022 gilt seit dem 01.01.2022 in folgenden Bereichen:
- Pflegesachleistungen
- Kurzzeitpflege
- Pflegeheimkosten
- Übergangspflege im Krankenhaus
- über den Tod greifende Ansprüche für Angehörige
- Hilfsmittelversorgung
- Entlastungsleistungen
- Lohnerhöhung der Pflegekräfte
- höhere Finanzspritze des Bundes für den Pflegebereich.
Im weiteren Verlauf des Beitrages erklären wir Dir die einzelnen neuen Pflegereformen 2022. Weiterhin ist auch in der neuen Pflegereform 2022 kein Anstieg des Pflegegeldes 2021 oder 2022 vorgesehen. Mehr dazu in unserem Beitrag „Keine Pflegegelderhöhung 2022″
Grundlage der neuen Pflegereform 2022 ist das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) unter dem die Neuregelungen zur Pflege festgelegt sind.
Pflegegrad12345- Hinweis:
Die „große“ Pflegereform 2022 bleibt weiterhin aus. Um die pflegenden Angehörigen und die Pflegebedürftigen zu entlasten, greifen seit dem 01.01.2022 einige kleinere Leistungsanpassungen.
Neue Pflegereform 2022- erneuerte Pflegesachleistungen in der ambulanten Pflege
In der neuen Pflegereform 2022 gibt es eine Pflegesachleistungserhöhung von 5 Prozent. Diese Pflegesachleistungen können durch professionelle Hilfen beispielsweise einem ambulanten Pflegedienst erbracht werden. Die Erhöhung bezieht sich alleinig auf Pflegesachleistungen. Pflegende Angehörige in der häuslichen Pflege werden durch das Pflegegeld bezahlt. Das Pflegegeld wird 2022 nicht erhöht. Mehr zu der Thematik und dem Thema Pflegesachleistungen findest Du in unserem Beitrag „Pflegesachleistungen“.
Unten dargestellt siehst Du, wie eine Erhöhung der Pflegesachleistungen um 5 Prozent sich auf die jeweiligen Pflegegrade auswirkt.
Pflegegrade | Monatliche Pflegesachleistungen bis zum 31.12.2021 | Monatliche Pflegesachleistungen ab dem 01.01.2022 | Monatliche umgerechnete Pflegesachleistungs-erhöhung (5 Prozent) |
Pflegegrad 1 | Kein Anspruch auf die Pflegesachleistungen | ||
Pflegegrad 2 | 689 Euro | 724 Euro | +35 Euro |
Pflegegrad 3 | 1298 Euro | 1363 Euro | +65 Euro |
Pflegegrad 4 | 1612 Euro | 1693 Euro | +81 Euro |
Pflegegrad 5 | 1995 Euro | 2095 Euro | +100 Euro |
In der neuen Pflegereform 2022 wurde unter anderem der Tariflohn für Pflegekräfte eingeführt. Im gleichen Schritt wurden auch die Pflegesachleistungen erhöht, jedoch nicht das Pflegegeld für Pflegebedürftige in der häuslichen Pflege. Alles rund um das Thema „Tariferhöhung“ erfährst Du in dem Absatz „Neue Pflegereform 2022- Lohnerhöhung für Pflegekräfte“.
Pflegegrad12345- Hinweis:
Mit der neuen Pflegereform 2022 wurden seit dem 01.01.2022 die Pflegesachleistungen um 5 Prozent erhöht. Die Pflegesachleistungen müssen zweckgebunden eingesetzt werden – zum Beispiel für einen ambulanten Pflegedienst. Die Pflegesachleistungen wurden angehoben, um den gestiegenen Tariflohn der Pflegekräfte auszugleichen.
Entlastende Kurzzeitpflege
Nicht nur Pflegebedürftige in der ambulanten Pflege, sondern auch Pflegebedürftige in der Kurzzeitpflege sollen durch die neue Pflegereform 2022 finanziell entlastet werden. Deshalb wurden die Beiträge der Kurzzeitpflege zum 01.01.2022 um 10 Prozent erhöht. Die Leistungen der Kurzzeitpflege wurden von 1612 Euro auf 1774 Euro pro Jahr angehoben. Die Anhebung geschieht automatisch und Du als Empfänger musst hierfür keinen separaten Antrag stellen. Insgesamt stehen Dir, zusammen mit den Vergütungen der Verhinderungspflege, im Kalenderjahr bis zu 3386 Euro zur Verfügung § 42 Abs. 2 SGB XI). Ausführliche Informationen über das Thema Kurzzeitpflege erhältst Du in unserem Beitrag.
Pflegegrad12345- Hinweis:
Mit der neuen Pflegereform 2022 wurden die Beiträge seit dem 01.01.2022 in der Kurzzeitpflege um 10 Prozent erhöht. Als Empfänger*in der Kurzzeitpflege wurden Deine Leistungen automatisch von 1612 auf 1774 Euro angehoben
Entlastete Pflegeheimkosten
Um die Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen und deren Angehörige zu entlasten, wird von der Pflegekasse seit dem 01.01.2022 ein Zuschlag gezahlt. Dieser Zuschlag steigt mit der jeweiligen Pflegedauer. Unten aufgeführt siehst Du eine Tabelle, in dem die jeweiligen Senkungen des Eigenanteils aufgeführt sind.
Pflegedauer | Zuschlag Eigenanteil Pflege |
erstes Jahr Pflegeheim | 5 Prozent |
zweites Jahr Pflegeheim | 25 Prozent |
drittes Jahr Pflegeheim | 45 Prozent |
viertes Jahr Pflegeheim | 70 Prozent |
Mit jedem Jahr im Pflegeheim sinkt Dein Eigenanteil für pflegerische Aufwendungen. Der Zuschlag ist unabhängig von Deinem Pflegegrad und wird zusätzlich zu dem Pflegegeld ausgezahlt.
Eine beispielhafte Rechnung soll Dir verdeutlichen, was der Zuschlag der neuen Pflegereform 2022 für Dich bedeutet:
Wenn wir von dem Bundespflegedurchschnitt von 911 Euro ausgehen, liegt die Entlastung ab dem ersten Jahr im Pflegeheim bei 45 Euro. Dieser steigt im zweiten Jahr auf 227, 75 Euro, im dritten Jahr auf 409, 95 Euro und ab dem vierten Jahr auf 637,07 Euro.
Der Zuschlag berechnet sich nach den Kosten der pflegerischen Versorgung im Pflegeheim und wird dann von Deinen Kosten abgezogen. Dieser Zuschlag bezieht sich nur auf die pflegerische Versorgung und nicht auf die Kosten für Unterkunft oder Verpflegung.
Der Zuschlag muss von Dir nicht beantragt werden. Die Pflegekasse teilt ab dem Pflegegrad 2 den Einrichtungen automatisch die Dauer des Bezugs der vollstationären Pflege mit. Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 1 haben keinen Anspruch auf den Zuschuss.
Die Heimplatzkosten setzen sich aus den Pflegekosten, den Ausbildungskosten, den Investitionskosten und den Kosten für Unterkunft und Vergütung zusammen. Die Pflegekasse beteiligt sich pauschal an den Pflege- und Ausbildungskosten. Die Höhe der Beteiligung richtet sich nach dem jeweiligen Pflegegrad. Die Investitionskosten und Kosten für Unterkunft und Verpflegung trägst allerdings Du. Aus diesem Grund befürchtet die Deutsche Stiftung für Patientenschutz, dass der Zuschlag nicht die pflegerische Versorgung im Pflegeheim sicherstellen wird.
Pflegegrad12345- Hinweis:
Die Pflegeversicherung zahlt seit der neuen Pflegereform 2022 ab dem 01.01.2022 einen Zuschlag für Pflegekosten im Pflegeheim für die pflegerische Versorgung. Je länger der Aufenthalt im Pflegeheim, desto höher werden die Zuschläge (1 Jahr= 5 Prozent, 2 Jahre= 25 Prozent, 3 Jahre= 45 Prozent, ab 4 Jahren= 70 Prozent).

Neue Pflegereform 2022- neue Übergangspflege im Krankenhaus
Seit Juli 2021 gibt es die Möglichkeit der Übergangspflege im Krankenhaus. Die Übergangspflege ermöglicht eine vorübergehende Versorgung des Pflegebedürftigen nach einem Krankenhausaufenthalt. Voraussetzung hierfür ist, dass die Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt noch nicht sichergestellt ist oder nur mit erheblichem Schaden sichergestellt werden kann. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Reha- Aufenthalt oder andere Leistungen der Pflegekasse (Kurzzeitpflege, häusliche Krankenpflege etc.) nicht verfügbar sind. In diesen Fällen gibt es nun die Möglichkeit für bis zu zehn Tage Übergangspflege im Krankenhaus in Anspruch zu nehmen, um die Versorgung des Pflegebedürftigen sicherzustellen.
Es können maximal 10 Tage pro Krankenhausbehandlung in Anspruch genommen werden. Für die Beantragung der Übergangspflege ist die Pflegekasse des Betroffenen zuständig und nicht, wie häufig falsch vermutet, die Pflegekasse für die Übergangspflege. Wir empfehlen Dir, Dich in so einem Fall frühzeitig mit dem Sozialdienst des Krankenhauses in Kontakt zu setzen, um Fragen und administrative Angelegenheiten zeitnah zu klären.
Pflegegrad12345- Hinweis:
Im Juni 2021 wurde die Möglichkeit der Übergangspflege im Krankenhaus geschaffen. Durch diese Maßnahme werden Pflegebedürftige nach einem Krankenhausaufenthalt weiterhin im Krankenhaus versorgt – bis zu maximal 10 Tagen. Voraussetzung ist, dass keine andere Sicherstellung der Versorgung durch andere Leistungen der Pflegekasse möglich ist.
Neue Pflegereform 2022- über den Tod hinausgreifende Ansprüche der Angehörigen
Seit der neuen Pflegereform 2022 können Leistungen der Pflegekasse auch über den Tod des Angehörigen hinaus in Anspruch genommen werden. Bisher sind die Leistungen mit dem Tod des Betroffenen verfallen.
Nun können
- Kosten für die Verhinderungspflege,
- Kosten für die Entlastungsleistungen
- Kosten für Verbrauchshilfsmittel und
- Kosten für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
auch noch nach dem Tod innerhalb von 12 Monaten geltend gemacht und erstattet werden.
Die Familien bleiben somit nicht auf den Kosten sitzen und haben mehr Zeit, um die Erstattung nach dem Tod ihres/r Angehörigen bei der Pflegekasse einzufordern.
Bereits vorhandene Maßnahmen und Kosten können bis maximal 12 Monate nach dem Tod des Angehörigen von der Pflegekasse angefordert werden. Voraussetzung ist, dass die Leistung bereits vor dem Tod des Angehörigen erbracht wurde. Beispielsweise für Pflegehilfsmittel, die vor dem Tod eingekauft, aber die Rechnung erst nach dem Tod bei der Pflegekasse eingereicht wurde. Gerade bei großen Maßnahmen wie Wohnungsumbauten ist dies ein bedeutendes Thema. So werden auch die Kosten für genehmigte wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nach dem Tod erstattet. Alles rund um das Thema Wohnraumanpassung findest Du in unseren gleichnamigen Beitrag.
Pflegegrad12345- Hinweis:
Durch die neue Pflegereform 2022 verfallen nach dem Tod des Angehörigen bestimmte Leistungen der Pflegekasse nicht, sondern können bis zu 12 Monate nach Tod geltend gemacht werden. Die Leistungen betreffen insbesondere die Kosten für die Verhinderungspflege, Kosten für die Entlastungsleistungen, Kosten für Verbrauchshilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen.
Vereinfachte Hilfsmittelversorgung
Pflegefachkräfte dürfen seit der neuen Pflegereform 2022 zukünftig Empfehlungen für Hilfsmittel und zur Pflegehilfsmittelversorgung geben. Hierdurch wird die Versorgung von Pflegebedürftigen mit Hilfsmitteln erleichtert.
Die Empfehlung der Pflegefachkräfte wird dem Antrag auf das Hilfsmittel beigefügt. Diese Empfehlung ersetzt die ärztliche Verordnung. Voraussetzung dafür ist, dass die Empfehlung der Pflegefachkraft nicht länger als zwei Wochen alt ist. Grundlage ist die Annahme, dass durch die Empfehlung die Notwendigkeit der Versorgung mit dem Hilfsmittel gegeben ist.
Vereinfachte Nutzung von Entlastungsleistungen
Die Pflegesachleistungen können für nach Landesrecht anerkannte Entlastungsleistungen genutzt werden. Durch die neue Pflegereform 2022 wird das Beantragen der Entlastungsleistungen vereinfacht. Die Entlastungsleistungen mussten vor der neuen Pflegereform 2022 bei der jeweiligen Pflegekasse beantragt werden.
Im Rahmen der neuen Pflegereform 2022 können nun bis zu 40 Prozent der Pflegesachleistungsbeträge ohne Antrag auf Entlastungsleistungen eingesetzt werden.
Lohnerhöhung für Pflegekräfte
Ab dem 01.09.2022 werden mit der neuen Pflegereform 2022 indirekt Tariflöhne für Pflegekräfte eingeführt. Dies wird dadurch gewährleistet, dass nur noch Versorgungsverträge mit Einrichtungen gestattet sind, die mindestens nach Tarifvertrag vergüten. Besonders für Pflegekräfte in Ostdeutschland bedeutet dies eine Anhebung des Lohnes von bis zu 300 Euro im Monat.
Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi muss die Wirksamkeit der neuen Pflegereform 2022 weiterhin abgewartet werden. Es gibt rechtlich kein explizites Gesetz, welches Gefälligkeitsverträge zwischen Gewerkschaften ohne faire Löhne und Anbieter*innen ausschließt.
Höhere Finanzspritze des Bundes für Pflegekräfte
Mit der neuen Pflegereform 2022 gibt es vom Bund einen dauerhaften Zuschuss von jährlich einer Milliarde Euro für die Pflegeversicherung. Die Krankenkassen warnen jedoch weiterhin vor steigenden Beiträgen für ihre Versicherten. So soll der Pflegebeitrag für Personen ohne Kinder ab 23 Jahre von 3,3 auf 3,4 Prozent angehoben werden. Um die Beitragssteigerungen abwenden zu können, fordert die Pflegekasse einen einmaligen Zuschuss von sieben Milliarden Euro, die über die regulären 14,5 Milliarden Euro hinaus gehen sollen. Der Steuerzuschuss soll so erhöht werden, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag von 1,3 Prozent nicht überstiegen wird.
Pflegegrad12345- Hinweis:
Der Bund bezuschusst die Pflegekasse ab 2022 mit einem dauerhaften Zuschuss von 1 Milliarde Euro. Diese Gegenfinanzierung wird von den Krankenkassen als unzureichend eingestuft.

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