Die Integration digitaler Technologien in der Pflege und Gesundheit bietet zahlreiche Vorteile, da sie die Selbstständigkeit und Gesundheitsversorgung älterer und pflegebedürftiger Personen verbessern kann. Pflegende können ebenfalls von diesen digitalen Entwicklungen profitieren. Dennoch ist es wichtig, den Einsatz digitaler Technologien sorgfältig abzuwägen, da auch ethische und rechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind. 

Was versteht man unter der Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen? 

Die Digitalisierung in der Pflege und Gesundheit bezieht sich auf sämtliche Maßnahmen, die den Einsatz digitaler und elektronischer Technologien zur Unterstützung pflegerischer und gesundheitsbezogener Aufgaben im Alltag beinhalten. Dies umfasst zum Beispiel die Nutzung von Pflege- und Gesundheitsapps, die elektronische Patientenakte (ePA) oder auch den Einsatz von speziellen Pflegerobotern.

Diese digitalen Lösungen bieten eine Vielzahl von Vorteilen und werden in verschiedenen Bereichen eingesetzt, darunter in der Fernüberwachung von chronisch kranken Patient*innen, der Überweisung von Pflegeleistungen und der Medikamentengabe über bestimmte Barcode-Systeme. 

Die Digitalisierung kann auch zur Entlastung von pflegenden Angehörigen beitragen und die Autonomie und medizinische Betreuung älterer sowie pflegebedürftiger Personen unterstützen. Dennoch erfordert der Einsatz digitaler Technologien im Pflege- und Gesundheitswesen eine sorgfältige Abwägung, da ethische und rechtliche Aspekte ebenso berücksichtigt werden müssen. 

Vorteile der Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen 

Die fortschreitende Integration digitaler Technologien in das Pflege- und Gesundheitswesen bietet zahlreiche Vorteile, insbesondere für ältere und pflegebedürftige Menschen sowie für ihre pflegenden Angehörigen, Betreuer*innen und Pflegekräfte. 

Hier sind einige der wesentlichen Vorteile: 

  1. Stärkung der Selbstständigkeit: Digitale Technologien wie Telepflege-Beratungen oder digitale Assistenzsysteme ermöglichen älteren und pflegebedürftigen Personen, ein höheres Maß an Selbstständigkeit zu bewahren. Dadurch können sie ihre täglichen Aktivitäten und Aufgaben eigenständig durchführen. 
  2. Verbesserung der Gesundheitsversorgung: Durch den Einsatz digitaler Technologien können Gesundheitsdienstleister eine effizientere und präzisere Gesundheitsversorgung sicherstellen. Dies umfasst unter anderem die Fernüberwachung von Patient*innen, die schnelle Übermittlung von medizinischen Informationen und die rechtzeitige Intervention bei Gesundheitsproblemen. 
  3. Entlastung für Pflegende: Pflegende Angehörige oder Pflegekräfte werden durch den Einsatz digitaler Technologien sowohl physisch als auch psychisch entlastet. Automatisierte Prozesse, elektronische Aufzeichnungen und Assistenzsysteme können dazu beitragen, den Arbeitsaufwand zu reduzieren und die Qualität der Pflege zu verbessern. 
  4. Verbesserte Kommunikation und soziale Teilhabe: Digitale Technologien ermöglichen auch eine verbesserte Kommunikation zwischen Patient*innen, Pflegekräften und Angehörigen. Sie fördern ebenso die soziale Teilhabe älterer Menschen, indem sie den Zugang zu Informationen, Unterhaltung und sozialen Kontakten erleichtern. 
  5. Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung: Durch den Einsatz digitaler Anwendungen können Pflegeeinrichtungen und Gesundheitsdienstleister ihre Ressourcen effizienter nutzen und Kosten senken. Automatisierte Prozesse und elektronische Dokumentationen erleichtern dabei die Verwaltung und Organisation der Pflege. 

Digitalisierungsstrategie im Pflege- und Gesundheitswesen  

Das Bundesministerium für Gesundheit hat in Kooperationen mit verschiedenen Beteiligten eine Strategie zur Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen entwickelt. Neben einer Vision und konkreten Zielen für die Digitalisierungsvorhaben umfasst die Strategie auch die regulatorischen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie. 

Ein Kernvorhaben der Digitalisierungsstrategie ist es, die Telemedizin weiter auszubauen, um einen leichteren Zugang zur Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Hierzu wird eine durch assistierte Telemedizin eingeführt, die beispielsweise in Apotheken und Gesundheitskiosken genutzt werden kann. Bis 2026 sollen in mindestens 60 Prozent der hausärztlich unterversorgten Regionen Anlaufstellen für assistierte Telemedizin vorhanden sein. 

Pflegegrad-12345 Hinweis:
Telemedizin bezeichnet die Bereitstellung von medizinischen Dienstleistungen und Informationen über telekommunikative Kanäle wie zum Beispiel Videokonferenzanwendungen, Smartphones, E-Mails oder Telefonate. Sie ermöglicht es Patient*innen medizinische Beratungen und Behandlungen, ohne die physische Anwesenheit eines Arztes oder einer Ärztin, zu gewährleisten. Dies kann besonders nützlich sein, wenn der Zugang zu Gesundheitsdiensten begrenzt ist oder ein persönlicher Besuch in einer Praxis nicht möglich ist. 

Um die digitale Transformation in der Pflege voranzutreiben und die Pflegenden zu entlasten, wird im Rahmen der Digitalisierungsstrategie auch ein Kompetenzzentrum für Digitalisierung und Pflege eingerichtet. Das Kompetenzzentrum unterstützt unter anderem den Wissenstransfer zu Themen der Digitalisierung in der Langzeitpflege für pflegebedürftige Personen, ihre pflegenden Angehörigen, beruflich Pflegende und Pflegeberatende durch geeignete Maßnahmen. 

Das Gesetz zur Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen: DVPMG 

Der Ausbau der Telemedizin wird auch durch das sogenannte Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) bestärkt. Das DVPMG trat am 09.06.1021 in Kraft und regelt die bestehenden Vorschriften zur Förderung der Digitalisierung im Bereich der Pflege und Gesundheit. 

Das DVMPG verfolgt folgenden Regelungen: 

  1. Bereitstellung digitaler Anwendungen in der Pflege 
  1. Weiterentwicklung der Versorgung durch digitale Anwendungen 
  1. Ausbau der Telemedizin 
  1. Erweiterung der Teleinformatikstruktur 
  1. Weiterentwicklung der E-Rezepte und elektronischen Patientenakten 
  1. Förderung der digitalen Vernetzung von gesundheitlichen Versorgern 
  1. Stärkung der digitalen Gesundheitskompetenzen 
  1. Entlastung der Leistungserbringer durch gesetzliche Datenschutz-Folgenabschätzung 

Pflegegrad-12345 Hinweis:
Die Pflegereform bringt im Jahr 2024 auch Veränderungen in den Bereichen der Digitalisierung mit sich. So wird das E-Rezept zum 01.01.2024 zum Standard für alle gesetzlich Versicherten eingeführt. Ärzt*innen sind demnach verpflichtet, das E-Rezept auszustellen. Auch müssen Krankenkassen ab dem 01.01.2024 ihren Versicherten auf Wunsch eine digitale Identität in Form einer Gesundheits-ID bereitstellen. Diese Gesundheits-ID soll einen kartenlosen Zugang zu allen Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) wie dem E-Rezept oder der elektronischen Patientenakte (ePA) sowie weiteren digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) ermöglichen. 

Digitale Gesundheitsanwendungen  

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), sind auch als Apps auf Rezept bekannt und digitale Medizinprodukte mit CE-Kennzeichnung. Sie unterstützen Personen bei der Behandlung von Krankheiten oder Bewältigung von Beeinträchtigungen. Häufig sind sie als Gesundheits-Apps für Smartphones oder Tablets verfügbar, können aber auch browserbasierte Webanwendungen oder Softwares für den Einsatz auf herkömmlichen Desktop-Rechnern sein. Auch für pflegebedürftige und ältere Personen existieren zahlreiche digitale Gesundheitsanwendungen, die sie im Alltag unterstützen können.

10 nützliche digitale Apps für ältere Personen:

  1. Mein Notruf 

Diese App kann eine lebensrettende Funktion bieten. Durch einen einfachen Knopfdruck kann ein Notruf abgesetzt werden, wobei die genaue Position des Absenders oder der Absenderin per Satellitenortung ermittelt wird.

  1. Speechnotes

Speechnotes ist eine hilfreiche App für Smartphones und Tablets, besonders wenn das Tippen längerer Texte herausfordernd ist. Sie wandelt gesprochene Worte direkt in Text um, der leicht als Dokument gespeichert und versendet werden kann. 

  1. MyTherapy

MyTherapy ist eine kostenlose App, die sicherstellt, dass Personen ihre Medikamente stets pünktlich einnehmen. Sie erinnert zuverlässig an die Einnahmezeit und Dosierung von Medikamenten sowie an die Messung von Blutdruck und Blutzucker. Nutzer*innen können ihre Werte direkt in der App erfassen und später mit ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin teilen. 

  1. Neuronation 

Personen, die ihre geistige Fitness bewahren, leben im Alter häufig weniger ohne Herausforderungen. Besonders das Gedächtnis und andere kognitive Fähigkeiten lassen sich gezielt trainieren. Durch spielerische Übungen verbessert die App die Konzentration, das Erinnerungsvermögen und das logische Denken.

  1. Auguste 

Die Alzheimer Gesellschaft Niedersachsen e.V. hat eine App entwickelt, die ein virtuelles Training für Menschen mit Demenz bietet. In Begleitung von Angehörigen können sie Lernspiele spielen, die nicht nur die geistigen Fähigkeiten trainieren, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl stärken. 

  1. Be My Eyes 

Die App bietet Personen mit eingeschränktem Sehvermögen praktische Unterstützung im Alltag. Sie ermöglicht es ihnen, per Video-Chat Hilfe von freiwilligen Personen zu erhalten. Diese können beispielsweise das Mindesthaltbarkeitsdatum von Produkten vorlesen, Straßenschilder beschreiben oder den Standort eines heruntergefallenen Gegenstands über die Kamerafunktion erklären.

  1. Re.flex

Diese digitale Gesundheitsanwendung bietet Personen mit degenerativen Kniegelenkserkrankungen ein physiotherapeutisches Trainingsprogramm. Es umfasst Übungen zur Beweglichkeit, Dehnung, Stärkung und Gleichgewichtsförderung. Zwei Bewegungssensoren liefern dabei direktes Feedback zur korrekten Durchführung dieser Übungen. 

  1. Kalmeda

Diese digitale Gesundheitsanwendung wurde von Fachleuten aus der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Psychologen konzipiert. Es zielt darauf ab, Menschen mit Tinnitus mithilfe von Verhaltenstherapien bei der Lenkung der Selbstwirksamkeit, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Entspannung zu unterstützen. 

  1. Move ECG 

Die Move ECG ist eine Armbanduhr und hat die Fähigkeit, Vorhofflimmern und den normalen Herzrhythmus durch ein EKG zu erkennen. Das EKG wird direkt von der Uhr aufgezeichnet und in einer dazugehörigen Gesundheits-App analysiert. Nutzer*innen haben anschließend die Möglichkeit, das aufgezeichnete EKG direkt als PDF-Datei an ihren Arzt oder ihre Ärztin zu senden. 

  1. HelloBetter

HelloBetter ist auf Personen mit Diabetes und Depressionen ausgerichtet und bietet ein interaktives Online-Therapieprogramm. Es zielt darauf ab, die Schwere depressiver Symptome bei Menschen mit Diabetes Mellitus Typ 1 oder Typ 2 zu reduzieren. Das Programm bietet Psychoedukation durch beispielsweise Texte, Videos oder Audios und behandelt auch diabetesbezogene Themen. 

Pflege-12345 Hinweis:
Einige digitale Gesundheitsanwendungen sind kostenpflichtig und können durch Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen verschrieben werden, um Krankheiten zu erkennen und zu behandeln sowie individuelle Behandlungsprozesse zu unterstützen. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt dabei die Kosten für einige dieser digitalen Gesundheitsanwendungen, die durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und im entsprechenden Verzeichnis aufgeführt werden: https://diga.bfarm.de/de.

Senioren-Tablet

Es wird insgesamt empfohlen die Apps auf einem Tablet und nicht auf einem Smartphone zu nutzen, da der Bildschirm größer ist und die Nutzung somit erleichtert wird.  Hierbei existieren auch zahlreiche Tablets, die speziell für ältere Menschen entwickelt wurden und deren Bedürfnisse berücksichtigen. Sie weisen in der Regel eine benutzerfreundliche Oberfläche, große Schriften, eine einfache Navigation, eine robuste Bauweise und gegebenenfalls auch spezielle Funktionen wie Notrufknöpfe oder Fernwartungsmöglichkeiten für Angehörige auf.

Die Pflegekasse unterstützt dabei ausschließlich die Kosten für spezielle Notruf-Tablets, die einen mobilen Notrufknopf, ähnlich wie die herkömmlichen Hausnotrufe, haben. Hierbei erstattet die Pflegekasse bis zu 25,50 Euro pro Monat. Wenn die monatlichen Kosten für das Notruf-Tablet höher sind, müssen die Mehrkosten selbst getragen werden. 

Folgende Bedingungen gelten für die Antragssteller*innen: 

  1. Personen müssen einen Pflegegrad haben und es muss angenommen werden, dass jederzeit ein Notfall eintreten kann
  2. Personen müssen aufgrund ihrer Verfassung im Notfall nicht in der Lage sein, selbstständig Hilfe zu rufen 
  3. Die Person lebt entweder allein oder mit anderen Personen, die im Notfall ebenso keine Hilfe rufen können 

Digitale Kompetenzen von älteren Menschen fördern 

Ältere Menschen haben oft Schwierigkeiten, den Umgang mit Tablets, Smartphones sowie deren vielfältigen Funktionen zu erlernen. Im Gegensatz dazu ist die Nutzung dieser Technologien für junge Menschen oft intuitiv und alltäglich. Unterstützung kann daher von Familienmitgliedern, Angehörigen oder Bekannten kommen. Allerdings sind auch professionelle Angebote zur Förderung der digitalen Kompetenzen von älteren Menschen verfügbar. 

So bieten Volkshochschulen bestimmte Kurse für Einsteiger und Fortgeschrittene an. Es gibt auch private Initiativen und Computerclubs, die sich auf die Unterstützung von älteren Menschen spezialisiert haben. Eine Internetrecherche hilft dabei, das passende Angebot in der Region zu finden.

Für diejenigen, die den Umgang mit Tablets und Co. eigenständig erlernen möchten, gibt es auch Apps wie Senioren mit Smartphone. Diese App zielt darauf ab, ältere Menschen im Umgang mit neuen Technologien zu unterstützen. Dabei werden Symbole, Fachbegriffe und die Bedienung vertieft vermittelt. 

Ethische und rechtliche Aspekte der Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen 

Die Digitalisierung in der Pflege und Gesundheit wirft zahlreiche ethische und rechtliche Fragen auf. Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert unter anderem, dass digitale Technologien für alle Menschen bezahlbar und zugänglich sein müssen, um gleiche Nutzungsmöglichkeiten zu gewährleisten. 

Allerdings kann der Einsatz digitaler Technologien auch die Menschenrechte von älteren und pflegebedürftigen Menschen beeinträchtigen. Zum Beispiel kann der übermäßige Einsatz von Technik auch die Isolation und Vereinsamung fördern, was das Recht auf soziale Teilhabe verletzt. Assistenzsysteme können auch die Privatsphäre beeinträchtigen und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährden. 

Es ist daher wichtig, dass die Entscheidung für den Einsatz digitaler Technologien individuell und unter der Berücksichtigung ethischer und rechtlicher Aspekte getroffen wird. Fragen wie die Notwendigkeit des Einsatzes der Technologie, ihre Auswirkungen auf die Selbstbestimmung und die Rechtfertigung der Entlastung für Pflegende sollten daher sorgfältig abgewogen werden.