Nach Deiner Pflegebegutachtung erhältst Du den Bescheid über Deinen Pflegegrad. Je höher Dein Pflegegrad, desto höher schätzt der Gutachter die Einschränkungen Deiner Selbstständigkeit ein und desto mehr Pflegeleistungen erhältst Du. Aus diesem Grund ist eine falsche Einschätzung des Pflegegrades als auch eine Ablehnung nachteilig für Dich. Die Pflegeleistungen dienen dazu Deine Selbstständigkeit zu erhalten und Einschränkungen aufgrund der Pflegebedürftigkeit auszugleichen. Ungenügende oder ausbleibende Pflegeleistungen aufgrund einer falschen Pflegebegutachtung stehen einem eigenständigen Leben nach individuellen Wünschen im Weg.
Inhalt
Widerspruch Pflegegrad: Wann es sich lohnt
Widerspruch Pflegegrad: Muster
Widerspruch Pflegegrad: Ablauf
Widerspruch Pflegegrad: fachliche Begründung
Widerspruch Pflegegrad: Fristüberschreitung
Widerspruch Pflegegrad: Wann es sich lohnt
In den folgenden Fällen kannst Du innerhalb eines Monats Widerspruch gegen Deinen Pflegegrad einreichen,
- wenn Du ernsthafte Zweifel an Deiner Pflegebegutachtung hast,
- wenn Du den eingestuften Pflegegrad als zu niedrig empfindest,
- wenn Dein Pflegegradantrag abgelehnt wurde.
Ob Dein Widerspruch gelingt, hängt einerseits von Deiner Argumentation und von Deinem Punktwert ab. Gutachter vom Medizinischen Dienst (MD) und MEDICPROOF führen die Pflegebegutachtungen durch, wenn Du einen Pflegegradantrag stellst. Aufgrund der Begutachtung erhältst Du Deinen Pflegegrad. Der MD ist für die Pflegebegutachtung gesetzlich Krankenversicherter zuständig. MEDICPROOF GmbH hingegen ist für die Pflegebegutachtung privat Krankenversicherter zuständig. Seit dem 01.01.2017 gibt es ein Begutachtungsinstrument, mit dem der MD und MEDICPROOF die Selbstständigkeit des Antragsstellers mit über 67 Fragen beurteilt, die wiederum bepunktet werden. Je höher die erreichte Punktzahl ist, desto höher wird der benötigte Unterstützungsbedarf eingeschätzt.
Um abzuwägen, ob sich ein Widerspruch rentiert, ist die Punktzahl und die sich daraus ergebende Differenz zum nächsthöheren Pflegegrad entscheidend. Anhand Deines Gutachtens und der damit ermittelten Punktzahl kannst Du prüfen, wie weit der nächste Pflegegrad entfernt liegt. Bei einem geringen Abstand lohnt sich ein Widerspruch. Der folgenden Tabelle kannst Du die Pflegegrade mit den entsprechenden Punktzahlen entnehmen.
Pflegegrad | Ausmaß der Beeinträchtigung für die Selbstständigkeit | Punktezahl |
Pflegegrad 1 | Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 12,5 bis 26,5 Punkte |
Pflegegrad 2 | Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 27 bis 47 Punkte |
Pflegegrad 3 | Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 47,5 bis 69,5 Punkte |
Pflegegrad 4 | Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | 70 bis 89,5 Punkte |
Pflegegrad 5 | Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an pflegerische Versorgung | 90 bis 100 Punkte |
Widerspruch Pflegegrad: Muster
Wir haben für Dich ein Muster erstellt mit dem Du einen formlosen Widerspruch innerhalbe eins Monats einreichen kannst. Den Text einfach kopieren und in Programm zur Textverarbeitung, z. B. Word einfügen.
Widerspruch Pflegegrad: Ablauf
Innerhalb einer Frist von 4 Wochen musst Du Widerspruch bei Deiner Pflegekasse einlegen. An dieser Stelle reicht ein formloser Widerspruch, um innerhalb der Frist zu bleiben. Ein einfacher Satz reicht aus. Wenn Dir Dein Gutachten noch nicht vorliegt, kannst Du es bei der Pflegekasse mit anfordern. Das Gutachten ist für die Argumentation in der fachlichen Widerspruchsbegründung notwendig.
Anschließend muss zwingend eine fachliche Widerspruchsbegründung folgen. Wenn Du diese nicht nachreichst, wird Dein Widerspruch abgelehnt. Der Widerspruch muss schriftlich geschehen, z. B. als Brief-Einschreiben, als Telefax mit Sendebericht oder persönlich in der Geschäftsstelle Deiner Pflegekasse mit Empfangsbeleg. Der Widerspruch muss von dem Versicherten selbst oder einem Bevollmächtigten, z. B. dem Pflegepersonal, einem bestellten Betreuer oder Angehörigen des Versicherten, geschrieben werden. Andernfalls ist der Widerspruch nicht zulässig.
Wenn die Argumentation in Deiner fachlichen Widerspruchsbegründung überzeugt, wird ein erneutes Widerspruchsgutachten durch den MD bei gesetzlich Krankenversicherten oder durch MEDICPROOF bei Privatversicherten durchgeführten. Ein anderer unabhängiger Gutachter bewertet erneut Deine Pflegebedürftigkeit und Selbstständigkeit anhand eines einheitlichen Begutachtungsinstrumentes. Einige Zeit später erhältst Du Deinen Widerspruchsbescheid. Der Widerspruchsbescheid enthält den Beschluss. Fällt dieser positiv aus und Deinem Widerspruch wurde stattgegeben, erhältst Du eine Höherstufung Deines Pflegegrades oder Dir wird ein Pflegegrad bewilligt. Gegen diesen kannst Du bei Bedarf wieder Widerspruch einlegen oder nach einer Frist von 6 Monaten einen erneuten Pflegegradantrag stellen.
Wenn der Widerspruch abgelehnt wird und Du weiterhin gegen den Bescheid vorgehen willst, musst du eine Aufrechterhaltung des Widerspruches schriftlich stellen. Diese muss schnellstmöglich an Deine Pflegekasse gesendet werden, z. B. mittels eines Einschreibens.
Hältst Du Deinen Widerspruch weiterhin aufrecht, entscheidet der Widerspruchsausschuss über Deinen Bescheid. Dieser setzt sich alle sechs Wochen zusammen und hat die Funktion der Prüfung der Widerspruchsbescheide. Im Mittelpunkt der Prüfung steht nicht Deine pflegerische Situation, sondern vielmehr die formale Bearbeitung der Pflegebegutachtung und des Verfahrens.
Anträge werden abgelehnt, bei einer gleichen Argumentation, wie im Erstantrag und wenn keine weiteren fachlichen Argumente dazu kommen. Dieser abgelehnte Bescheid ist ein rechtsmittelfähiger Widerspruchsbescheid. Wenn Du weiterhin gegen die Entscheidung vorgehen möchtest, liegt der nächste Schritt in der Klage beim zuständigen Sozialgericht. Das zuständige Sozialgericht entnimmst du dem rechtsmittelfähigen Bescheid. Die Klage verursacht keine zusätzlichen Kosten und es gibt keine Anwaltspflicht. Aus diesem Grund kannst Du oder Dein pflegebedürftiger Angehöriger diesen Schritt in Erwägung ziehen, ohne Sorge vor den Kosten haben zu müssen.
Widerspruch Pflegegrad: fachliche Begründung
- Stelle dar, welche Argumente im Gutachten Du anzweifelst und begründe es. Formuliere den Text strukturiert und fachlich korrekt, damit der Empfänger sie nachvollziehen und eindeutig verstehen kann.
- Wenn Du in dem Bescheid des Gutachters Fehler findest, solltest Du diese in Deine Argumentation mit aufnehmen. Beispielsweise könntest Du das Gutachten mithilfe eines Pflegegradrechners überprüfen und zur Identifizierung von Fehlern und Falscheinschätzungen des Gutachters nutzen. Diese Rechner findets Du über Google. Ein Pflegegradrechner dient zur Orientierung, bitte gib ihn nicht als Beleg für Deine Begrünung an.
- Verschiedene Perspektiven und Blickwinkel auf die Pflegesituation des Betroffenen sind in jedem Fall sinnvoll. So sollte der Widerspruch nicht nur aus der Sicht des Betroffenen, sondern auch von Angehörigen und/oder Pflegepersonal ergänzt werden. Optional erstellt ein ausgebildeter Pflegeberater ein vollständiges Gegengutachten.
- Wurden die Punkte richtig addiert? War der Tageszustand des Betroffenen außergewöhnlich gut am Tag der Begutachtung? Wenn ja, kannst Du diese Informationen mit in Deine Begründung einbeziehen.
Widerspruch Pflegegrad: Fristüberschreitung
Bei einer Fristüberschreitung wird von einer Anerkennung des Bescheides seitens der Pflegekasse ausgegangen. Der Bescheid ist folglich bestandskräftig und ein Widerspruch nicht möglich. Wenn bei Dir dieser Fall vorliegt, hast Du zwei Möglichkeiten.
- Du prüfst, ob Dein Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Wenn nicht, hast Du ein halbes Jahr Zeit für Deinen Widerspruch.
- Falls doch, kannst Du eine „Wiedereinsetzung des vorherigen Stands“ beantragen. Mit diesem bittest du Deine Pflegekasse, die Bestandskräftigkeit aufzuheben, wodurch ein Widerspruch nachträglich eingereicht werden kann.
Du musst begründen, weshalb du den Widerspruch nicht in der entsprechenden Frist eingelegt hast. Der Widerspruch mit der entsprechenden Begründung muss innerhalb 14 Tage eingereicht werden.
Je nach Einzelfall wird geprüft welche Begründungen zulässig sind. Krankenhausaufenthalte und Urlaube werden nicht akzeptiert. Zeitgleich solltest Du Deinen Sachbearbeiter persönlich informieren.
Beitrag kommentieren