Seit 2017 ist ein neues Gesetz, das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II), für die Pflegeversicherung in Kraft getreten. Die bisherigen drei Pflegestufen wurden durch fünf Pflegegrade ersetzt. Beide Systeme (Pflegestufen und Pflegegrade) dienen bzw. dienten dazu, die Höhe der Pflegebedürftigkeit festzustellen. Je nach Einstufungsgrad erhalten Pflegebedürftige entsprechende Geld und Sachleistungen. Seit 2017 findet keine Einteilung in die Pflegestufen mehr statt und die Kriterien für die Einstufung in einen Pflegegrad haben sich geändert. Das Ziel der Pflegereform ist, pflegebedürftige Menschen besser zu versorgen, als im System der Pflegestufen.

Inhalt

Von Pflegestufen zu Pflegegrad
Welcher Pflegegrad ist welche Pflegestufe?
Veränderung des Pflegegeldes und der Pflegesachleistungen
Wie erfolgt die Einstufung in einen Pflegegrad?
Nach welchen Kriterien werden die neuen Pflegegrade vergeben?

Von Pflegestufen zu Pflegegrad

Mit den ehemaligen Pflegestufen wurde ermittelt, ob der Betroffene aufgrund körperlicher Einschränkungen zu bestimmten Mindestzeiten am Tag auf fremde Hilfe angewiesen ist und hauswirtschaftliche Unterstützung sowie Pflege benötigt. Mit der neuen Einstufung in die Pflegegraden werden nicht nur körperliche, sondern auch psychische und kognitive Einschränkungen wie beispielsweise Demenz oder psychische Erkrankungen berücksichtigt. Dadurch erhalten Betroffene nun leichter einen Pflegegrad, als dies bei den Pflegestufen der Fall war. Zudem geht es nicht mehr darum, wie viel Hilfe ein Pflegebedürftiger täglich benötigt, sondern wie selbstständig dieser noch im Alltag ist.

Versicherte, die bereits am 31.12.2016 in eine Pflegestufe eingestuft waren oder für die eine eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI bestand, wurden automatisch in einen Pflegegrad übergeleitet. Eine erneute Begutachtung erfolgte nicht.

Welcher Pflegegrad ist welche Pflegestufe?

Die folgende Tabelle zeigt Dir die Überleitungen von den Pflegestufen in die aktuellen Pflegegrade

Seit 2017:
Übersicht Pflegegrade: orientieren sich
am Grad der Selbstständigkeit  
Bis 2017:
Pflegestufen orientierten sich am Zeitaufwand
Pflegegrad 1  War nicht vorgesehen
Pflegegrad 2Pflegestufe 0
Pflegestufe 1  
Pflegegrad 3Pflegestufe 1 mit eingeschränkter Alltagskompetenz  
Pflegestufe 2  
Pflegegrad 4Pflegestufe 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz  
Pflegestufe 3  
Pflegegrad 5Pflegestufe 3 mit eingeschränkter Alltagskompetenz  
Pflegestufe 3 mit Härtefall      
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, 2019

Ein weiterer Unterschied zwischen Pflegestufen und Pflegegraden liegt in der Berechnungsgrundlage für die neuen Pflegegrade. Es zählt nicht mehr der zeitliche Aufwand für die tägliche Pflege, sondern der tatsächlich vorhandene Grad der Selbstständigkeit.

In dieser Tabelle findest Du die aktuelle Einteilung der Pflegegrade sowie die alte Berechnungsgrundlage der Pflegestufen:

Seit 2017:
Einstufung Pflegegrade: orientiert am Grad der Selbstständigkeit
(aktuelle Berechnungsgrundlage)
Bis 2017:
Pflegestufen orientierten sich am Pflegezeitaufwand
Pflegegrad 1 – geringe Beeinträchtigung der SelbstständigkeitPflegestufe 0 – bis 45 Minuten
Pflegegrad 2 – erhebliche Beeinträchtigung der SelbstständigkeitPflegestufe 1 – über 45 Minuten
Pflegegrad 3 – schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit  Pflegestufe 2 – ab 120 Minuten  
Pflegegrad 4 – schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit  Pflegestufe 3 – ab 240 Minuten  
Pflegegrad 5 – schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung 
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, 2019

Veränderung des Pflegegeldes und der Pflegesachleistungen

Das Pflegegeld kann in Anspruch genommen werden, wenn Angehörige oder Ehrenamtliche die Pflege übernehmen. Dieses Pflegegeld kommt direkt dem Pflegebedürftigen zu und steht zur freien Verfügung. Die Höhe des Pflegegerades bestimmt die Höhe des monatlichen Pflegegeldes.

Ambulante Pflegedienste oder Einzelpflegekräfte werden mit einem monatlichen Betrag in Form von Pflegesachleistungen bezuschusst. Die Kosten rechnen die Pflegedienste direkt mit den Pflegekassen ab. Die Höhe der Bezuschussung richtet sich nach der Höhe des Pflegegrades. Über den monatlichen Geldbetrag anfallende Kosten müssen vom Versicherten übernommen werden. Auch hier bestimmt die Höhe des Pflegegerades die Höhe der Pflegesachleistungen. Pflegesachleistungen sind in Kombination mit dem Pflegegeld möglich. Wenn Angehörige gleichermaßen die zu pflegende Person mit einem Pflegedienst betreuen, verringert sich das Pflegegeld prozentual mit dem Umfang der in Anspruch genommenen Pflegesachleistungen.

Mit dem Übergang der Pflegestufen zu den Pflegegraden erhalten fast alle Pflegebedürftigen höhere Leistungen sowie einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, unabhängig davon, ob sie von körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen betroffen sind.  

Folgende Tabelle zeigt Dir die Geldleistungen in den damaligen Pflegestufen sowie in den Pflegegeraden seit 2017:

Bis 2017:
Pflegestufen
Seit 2017:
Pflegegrad
Bis 2017:
Pflegegeld bei Pflegestufen
(monatlich)
Seit 2017:
Pflegegeld bei Pflegegrad
(monatlich)
War nicht vorgesehenPflegegrad 10 €0 €
Pflegestufe IPflegegrad 2244 €316 €
Pflegestufe IIPflegegrad 3458 €545 €
Pflegestufe IIIPflegegrad 4728 €728 €
HärtefallPflegegrad 5901 €
Pflegestufe 0
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 2123 €316 €
Pflegestufe I
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 3316 €545 €
Pflegestufe II
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 4545 €728 €
Pflegestufe III
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 5728 €901 €
HärtefallPflegegrad 5728 €901 €
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.

Diese Tabelle zeigt Dir die Sachleistungen in den damaligen Pflegestufen sowie in den Pflegegeraden seit 2017:

Bis 2017:
Pflegestufen
Seit 2017:
Pflegegrad
Bis 2017:
Pflegesachleistung bei Pflegestufe
(monatlich)
Seit 2017:
Pflegesachleistung bei Pflegegrad
(monatlich)
War nicht vorgesehenPflegegrad 10 €125 €
Pflegestufe IPflegegrad 2468 €689 €
Pflegestufe IIPflegegrad 31.144 €1.298 €
Pflegestufe IIIPflegegrad 41.612 €1.612 €
HärtefallPflegegrad 51.995 €1.995 €
Pflegestufe 0
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 2231 €689 €
Pflegestufe I
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 3689 €1.298 €
Pflegestufe II
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 41.298 €1.612 €
Pflegestufe III
(mit eingeschränkter Alltagskompetenz)
Pflegegrad 51.995 €1.995 €
HärtefallPflegegrad 51.995 €1.995 €
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V.

Wie erfolgt die Einstufung in einen Pflegegerad?

Um einen Pflegegrad zu erhalten und damit auch die verbundenen Pflegeleistungen, müssen Versicherte bei ihrer Pflegekasse einen Pflegegrad beantragen. Die Pflegekasse ist der zuständigen Krankenkasse angegliedert, es können also die gleichen Kontaktdaten genutzt werden. Die Antragsstellung kann formlos per Brief, telefonisch oder durch die dafür bereitgestellten Formulare auf den Internetseiten der jeweiligen Krankenkassen durch die pflegebedürftige Person erfolgen. Alternativ können bevollmächtigte Familienangehörige, Nachbarinnen und Nachbarn oder Bekannte den Antrag stellen. Nachdem Du einen Antrag für einen Pflegegrad gestellt hast, schickt dir die Pflegekasse ein Formular zu. Hast Du die Antragsformulare ausgefüllt und abgeschickt, teilt Dir der Gutachter einen Termin zur Pflegebegutachtung mit. Der Antrag sollte so früh wie möglich gestellt werden, denn Leistungen zahlt die Pflegekasse erst ab dem Monat der Antragstellung.
Im Regelfall erfolgt die Begutachtung nach vorheriger Terminvereinbarung in der Wohnung oder in der Pflegeeinrichtung des Versicherten. Für individuelle pflegerische Informationen ist es hilfreich, wenn pflegende Angehörige oder Betreuer zu diesen Terminen anwesend sind und Auskunft geben können.
Die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit erfolgt im Auftrag der Pflegekassen durch den Medizinischen Dienst (MD). Privatversicherte stellen einen Antrag bei ihrem privaten Versicherungsunternehmen. Die Begutachtung führt das Unternehmen MEDICPROOF durch.
Bist Du bereits einem Pflegegrad zugeteilt, möchtest ihn aber anpassen, so kannst Du einen „Antrag auf Anpassung des Pflegegrades“ stellen.

Nach welchen Kriterien werden die neuen Pflegegrade vergeben?

Zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit und der Einstufung in einen Pflegegrad kommt ein neues Begutachtungsassasment (NBA) zum Einsatz, welches auf der Grundlage eines Punktesystems basiert. Je höher die Punktzahl des Antragsstellers, desto unselbstständiger ist die betroffene Person. Daraus resultiert die Einstufung in einen (höheren) Pflegegrad. Für die Ermittlung der Selbstständigkeit des Antragsstellers zieht der Gutachter sechs Module heran. Für jedes Modul vergibt er Punkte, die unterschiedlich gewichtet werden. Die Punkteskala reicht von 0 bis 100, wobei 100 für den höchsten Grad der Unselbstständigkeit steht. Die sechs Module beinhalten folgende Bereiche:

ModulModulinhaltGewichtung
Modul 1Mobilität: Wie selbstständig kann sich der Mensch
fortbewegen und seine Körperhaltung ändern? 
10%
Modul 2Kognitive und kommunikative Fähigkeiten:
Wie findet sich der Mensch mit Hilfe anderer örtlich und zeitlich
zurecht? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen
oder Gespräche führen?
15%*  
Modul 3Verhalten und psychische Problemlagen:
Wie häufig benötigt der Mensch Hilfe aufgrund von
psychischen Problemen, wie etwa aggressives oder
ängstliches Verhalten?
15%*
Modul 4 Selbstversorgung:
Wie selbstständig kann sich der Mensch im Alltag
versorgen bei der Körperpflege, beim Essen und Trinken?
40 %
Modul 5Bewältigung und selbstständiger Umgang mit
krankeits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
Wie aufwändig ist die Unterstützung beim Umgang mit der Krankheit
und der Behandlungen, z. B. bei der Medikamentengabe oder
beim Verbandswechsel?
20 %
Modul 6Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte:
Wie selbstständig kann der Mensch noch den
Tagesablauf planen, sich beschäftigen oder Kontakte pflegen?
15 %
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, 2019, *Die höhere Punktzahl aus den Modulen 2 und 3 zählt

Für jedes der sechs Module vergeben die Gutachter eine individuelle Anzahl an Punkten. Daraus ergibt sich die Gesamtpunktzahl und nach einem speziellen Gewichtungsverfahren die Zuweisung eines Pflegegrades.

Die Tabelle zeigt Dir eine Übersicht der Modulpunkte und die jeweils zugewiesenen Pflegegrade:

Übersicht: Pflegegrade 1, 2, 3, 4 und 5Punkteanzahl
Pflegegrad 112,5 bis unter 27 Punkte
Pflegegrad 227 bis unter 47,5 Punkte
Pflegegrad 347,5 bis unter 70 Punkte
Pflegegrad 470 bis unter 90 Punkte
Pflegegrad 590 bis 100 Punkte
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, 2019